Zachern – Das Untersuchen der Flugeigenschaften

Zachern – Das Untersuchen der Flugeigenschaften

Während auf dem Sommertreffen noch vor Sonnenaufgang die ersten Akaflieg Mitglieder schon auf den Beinen sind, zum Unterstützen der Flugmannschaft der Flugleistungsvermessung, lassen es andere etwas gemächlicher angehen. Um die Flugeigenschaften von Segelflugzeugen untersuchen zu können, braucht es nicht immer ruhige Luft. Im Gegenteil ist Thermik für einen Großteil der Flugeigenschaftsuntersuchungen wünschenswert, damit in den maximal zwei Stunden langen Flügen möglichst viele Programmpunkte erflogen werden können.

Das Programm zur Untersuchung der Flugeigenschaften von Segelflugzeugen, wie es in heutiger Form durchgeführt wird, wurde ursprünglich von Hans Zacher in den 1950er Jahren entwickelt. Umgangssprachlich wird deshalb vom Zachern geredet. 
Auch wenn sich das „Zacherprotokoll“ im Laufe der Jahre etwas gewandelt hat, sind die grundlegenden Manöver, zur Ermittlung von etwa Schieberollmomenten, Kurvenwechselzeiten und der Längsstabilität,gleichgeblieben.

Auf dem jährlichen Sommertreffen der Idaflieg ist es den Mitgliedern der Akafliegs möglich das Zachern, und somit das wissenschaftliche Fliegen, zu erlernen. Das Zachern unterscheidet sich vom sonst normalen Überland- oder Platzrundenfliegen, weil das präzise Fliegen der einzelnen Flugmanöver ein hohes Maß an Konzentration, Auffassungsgabe und Multitasking Fähigkeit erfordert, um reproduzierbare Resultate zu erzielen, die Messwerte korrekt zu ermitteln und dabei den Luftraum ständig im Blick zu behalten.

Hierzu erhält jeder Pilot eine ausführliche theoretische und praktische Einweisung, die jährlich aufgefrischt wird. Das Fliegen erfolgt bei gutem Wetter den ganzen Tag über. Für die meisten Programmpunkte ist es ausreichend nicht in böigen Thermikaufwinden zu fliegen und sich gezielt zwischen möglichen Aufwinden aufzuhalten. Wenn ein Protokollpunkt untersucht wurde, ist meist so viel Höhe verloren gegangen, dass zunächst wieder in der Thermik gekreist werden muss, bevor sich dem nächsten Punkt gewidmet wird.
Einige Manöver erfordern aber ähnlich ruhige Luft, wie sie für die Flugleistungsvermessung nötig ist. Die sogenannte „Statische“ besteht aus Flugmanövern, bei denen der atmosphärische Einfluss so gering wie möglich gehalten werden soll. Beispielsweise werden hier alle Bedienelemente losgelassen, damit das aerodynamische Verhalten festgestellt und Tendenzen zum Einleiten einer Kurve oder zum Aufschwingen einer Phygoide untersucht werden können.

Studentische Piloten der Idaflieg beim „zachern“ mit Phipsitheta, Stoppuhr und Protokoll.

Für einige Programmpunkte werden zusätzliche, einfache Messinstrumente benötigt, die in ihrer Gesamtheit als „Zacherbesteck“ bezeichnet werden. Dazu zählen eine Stoppuhr, ein Handkraftmesser, ein Maßband und das sog. Phipsitheta. Bei Letzterem handelt es sich um eine durchsichtige Plexiglasscheibe, die in der Haube befestigt wird und auf der verschiedene Skalen zur Bestimmung der drei Fluglagewinkel Phi (Rollwinkel), Psi (Nickwinkel) und Theta (Gierwinkel) aufgetragen sind. Mit diesen Hilfsmitteln lassen sich die wichtigsten Flugeigenschaften objektiv bestimmen.
Zusätzlich werden die überprüften Segelflugzeuge subjektiv bewertet. Dabei geht es unter anderem um Cockpitergonomie, die Anordnung und Bedienbarkeit der Bedienelemente und Instrumente, aber auch um flugrelevante Details, wie die Bremsklappenwirkung, die Federung des Fahrwerks, sowie die Radbremswirkung.
Die meisten objektiven Werte und subjektiven Eindrücke werden schon während des Fluges in das Zacherprotokoll eingetragen, welches auf einem Kniebrett mitgeführt wird und die wichtigsten Manöverdetails enthält.

Exemplarisch wird in nachfolgendem Video der Programmpunkt 12 „Ruderwirkung“ demonstriert. Hierbei wird die Zeit ermittelt, die das Segelflugzeug benötigt einen Kurvenwechsel von 45° Querneigung in einer Richtung zu 45° Querneigung in die entgegengesetzte Richtung zu rollen. In diesem Fall werden das Quer- und Seitensteuer voll ausgeschlagen, um eine möglichst kurze Kurvenwechselzeit zu erreichen. 

Erfliegen der Rollzeiten mit klar definierten Ruderausschlägen.

Mit Hilfe des Phipsithetas kann der Pilot die Querneigung des Flugzeuges gegenüber dem Horizont gut abschätzen und somit seine Fluglage stabilisieren. Außerdem ist darauf zu achten, dass die sog. Vergleichsfluggeschwindigkeit beibehalten wird. Diese Geschwindigkeit ist für jedes Segelflugzeugmuster spezifisch und ermöglicht eine Vergleichbarkeit der Manöver (hier: 110km/h bei Wölbklappenstellung 0).
Die Zeitmessung stoppt, wenn 45° Querneigung erreicht sind, aber die Ruder bleiben noch einen Augenblick länger voll ausgeschlagen. Dies ist wichtig, damit nicht durch ein verfrühtes Gegensteuern die Messung verfälscht wird.
Für diesen Protokollpunkt ergeben sich typischerweise Zeiten zwischen drei und sechs Sekunden, je nach Wendigkeit des Segelflugzeugs.

Ein Segelflugzeug muss mehrfach, am besten von verschiedenen Piloten, gezachert werden, um eine Datenbasis zu haben, auf der die Auswertung erfolgen kann. Auch werden einzelne Manöver wiederholt durchgeführt, damit aus mehreren Werten gemittelt werden kann.
Bei der Auswertung für ein Segelflugzeug werden die Werte aus allen Zacherprotokollen gemittelt. Die Ergebnisse werden dann in den Idaflieg Berichtsheften veröffentlicht. Die gewonnenen Daten dienen allen Akafliegs und den Segelflugzeugherstellern als Referenz für neue Segelflugzeugkonstruktionen. Die Manöver und Testpunkte sind außerdem an die Bauvorschrift CS22 für Segelflugzeuge angelehnt und es können so zulassungsrelevante Daten erhoben werden.

Autor: Lars Kastner, DLR Braunschweig