Thermographieversuche an Winglets

Bei modernen Segelflugzeugen rückt zur Verbesserung der bereits hohen aerodynamischen Güte zunehmend die Untersuchung von Details in den Fokus. Dabei ist unter anderem die genaue Kenntnis des Zustands der Grenzschicht, also des wenige Millimeter dicken Bereichs in der Nähe eines umströmten Körpers in welchem die Strömung verzögert wird, von Interesse. Diese kann dabei laminar, turbulent oder, wenn sie dessen Kontur nicht mehr folgen kann, abgelöst sein. Besonders wichtig ist dabei, die Grenzschicht selbst während der Beobachtung möglichst wenig zu beeinflussen. Ein Verfahren, mit dem das besonders gut gelingt, stellt die Thermographie dar. Dabei wird der untersuchte Körper, etwa ein Flügelschnitt, beheizt und mit einer Thermographiekamera, die in der Lage ist, Wärmestrahlung im nicht sichtbaren Bereich aufzuzeichnen, beobachtet. Da sich bei turbulenter Grenzschicht ein höherer Wärmeübertragungskoeffizient einstellt als bei laminarer oder gar abgelöster, kühlt die Strömung den Körper entsprechend stärker, es lässt sich an der Stelle des Umschlags von laminarer zu turbulenter Strömung sowie des Ablösens oder Wiederanlegens also ein Temperatursprung beobachten.

In der Vergangenheit wurden dazu auf diversen Sommertreffen bereits erfolgreiche Versuche an Abschnitten des Tragflügels verschiedener Flugzeuge durchgeführt mit beheizten, übergestülpten Handschuhen, die der Profilkontur nachempfunden waren, oder durch die Sonneneinstrahlung erwärmter, aufgeklebter, schwarzer Folie. 

Bei den diesjährigen Versuchen sollte es darum gehen, dieses Verfahren auch an Winglets anzuwenden. Die Visualisierung der Grenzschicht konnte hier bislang nur mit Anstrichversuchen erreicht werden, bei denen pro Flug jedoch immer nur ein Flugzustand veranschaulicht werden kann. Deshalb erscheint eine Untersuchung mittels Thermographie, bei der mit einem Flug, je nach Dauer, mehrere Messpunkte untersucht werden können, interessant. Allerdings stellt das Heizen hier eine größere Herausforderung dar, als es beim Tragflügel der Fall ist. Ein übergestülpter Heizhandschuh würde die empfindlicheren Strömungsverhältnisse als an einem Flügelabschnitt zu stark stören, eine Beheizung durch die Sonne scheidet aufgrund der sich ändernden Einfallswinkel des Lichts während des Fluges aus, zumal die Kontur eines Winglets eine nicht abwickelbare Oberfläche darstellt, was etwa die Anwendung einer Heizfolie ausschließt. 

Stattdessen wurde hier ein neues Verfahren angewendet: In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden wurde durch Thermisches Spritzen in die Innenseite einer Halbschale eines Wingletstumpfes vor dem Verkleben ein Mehrschichtsystem mit einer Heizschicht gespritzt. Bei diesem Verfahren wird ein, hier als Pulver vorliegender, Stoff in einer Spritzpistole erhitzt und in einem angeschmolzenen, breiigen Zustand auf das Werkstück geschleudert, wo sich die Partikel dann verklammern. Für Substrate aus Faserverbundstoffen ist das Verfahren noch nicht besonders weit ausgereift, weshalb für diese Anwendung im Rahmen von Manuel „Moses“ Machullas Studienarbeit eine passende Beschichtung sowie Oberflächenvorbereitung entwickelt wurde.

Halbschale des Winglets beim beschichten.

Die Heizleiterschicht konnte über Kupferstreifen einfach durch zwei Kabel kontaktiert werden, die dann aus dem Wingletstumpf heraus bis ins Cockpit des Flugzeugs, in diesem Fall unseres Twin Astirs, geführt wurden. Befestigt wurde der Wingletstumpf mittels eines Aufsteckhandschuhs am Flügelende, an einem weiteren Handschuh zwischen Querruder und Bremsklappe wurde die Thermographiekamera zur Aufzeichnung verschraubt. Zur Bestimmung der zugehörigen Fluglage wurde am anderen Flächenende noch eine Fünflochsonde samt Druck-Spannungswandlern angebracht, deren Daten eine Messkarte im Cockpit aufzeichnete. Ziel des Versuchs war die prinzipielle Erprobung des Aufbaus und der Eignung der Heizschicht für Thermographieuntersuchungen an komplexer geformten Bauteilen wie Winglets. Die Beheizung konnte während des Fluges nachgeregelt werden, da sich der Wingletstumpf zum einen bei gleicher Heizleistung immer stärker abkühlt, andererseits aber auch nicht zu warm werden sollte, um Schäden im Laminat zu vermeiden.

Der Twin beim Start im F-Schlepp. An der rechten Fläche sind außen der Wingletstumpf und weiter innen der Handschuh, auf dem die Thermographiekamera sitzt, zu sehen.

Auf dem Sommertreffen wurden nach einem Testflug zur Erprobung der Sicherheit des Aufbaus mehrere Flüge mit verschiedenen Schwerpunktlagen durchgeführt, bei denen mehrere Geschwindigkeitsstufen sowie langsames Überziehen im Geradeausflug erflogen wurden. Abschließend wurde zum Vergleich auch für einen gewählten Flugzustand ein Anstrichbild erstellt.

Auch wenn es noch kleinere Schwierigkeiten gab, funktionierte der Versuch zufriedenstellend. Bereits kurz nach dem Abheben konnte im Film der Thermographiekamera beobachtet werden, wie sich die zu erwartende Ablösung einstellte, auch die Ausbildung eines Turbulenzkeils wurde aufgezeichnet. Weiterhin zeigte sich schnell, wo noch Verbesserungspotential liegt. So ist an den Kontaktierungsstellen der Beheizung die Temperatur deutlich höher als auf dem Rest des Feldes. An einer Verbesserung der Kontaktierung wird derzeit gearbeitet. Des Weiteren fiel bereits beim Verkleben auf, dass sich die beschichtete Halbschale aufgrund des Wärmeeintrags etwas verzogen hatte, so dass keine 100%ige Formtreue mehr gegeben war. Hier könnte Beschichten der Halbschale in der versteiften Form einfache Abhilfe schaffen. 

Bei der Auswertung zeigte sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den Thermographieaufnahmen und dem Anstrich. Die Ablösung und das darauffolgende Wiederanlegen der Strömung sind durch deutliche Temperaturänderungen zu sehen und decken sich, ebenso wie der Turbulenzkeil im Fußbereich, mit den Positionen im Anstrich.

Links: Anstrichbild des Wingletstumpfes. Bei diesem Verfahren wird der Körper mit einer Lösung aus Farbpigmenten, einen Binde- und einem Lösemittel eingestrichen, die dann entsprechend des Grenzschichtzustands verläuft und mit Verdampfen des Lösemittels eintrocknet. Gut zu erkennen ist der dunkle Bereich bei etwa 55 – 75 % relativer Flügeltiefe, in dem die Strömung ablöst und der Kontur des Körpers nicht mehr folgen kann
Rechts: Thermographieaufnahme eines vergleichbaren Flugzustands. Auch hier ist die Ablösung durch den wärmeren Bereich zu erkennen. Die beiden größeren hellen Flecken sind Hotspots durch erhöhten Widerstand der Kontaktierung der Heizschicht.

Zur weiteren Auswertung wurden anhand des Messschriebs mit den Daten der Fünflochsonde geeignete Messpunkte ausgewählt und aus den Filmen der Thermokamera zugehörige Schnappschüsse erstellt, aus denen Temperaturprofile entlang einer gewählten Linie im Bild erzeugt werden konnten. Anhand dieser können, je nach Grenzschichtzustand, Rückschlüsse auf die Position des laminar-turbulenten Umschlags oder der Ablösung gezogen werden. Die Auswertung der Daten läuft derzeit noch und wird wie üblich beim kommenden Wintertreffen im Januar in Esslingen vorgestellt. Bereits jetzt lässt sich aber festhalten, dass das Verfahren der Beheizung mittels thermisch gespritzten Heizschicht für Thermographieuntersuchungen an Winglets geeignet ist und weitere Versuche in Zukunft vielversprechend erscheinen. 

Abschließend möchten wir uns bei allen Helfenden bedanken, sowie bei Schempp-Hirth für das Bereitstellen eines Winglets zum Abformen für den Versuchskörper und bei Jürgen „Willi“ Frey, dessen Thermographiekamera wir für den Versuch nutzen durften.

Autor: Philipp „Clausi“ Claußnitzer, Akaflieg Dresdenx